Sonntag, 24. Dezember 2006

Weihnachtsurlaub in Deutschland

Fröhliche Weihnachten! Dies wünsche ich euch von ganzem Herzen – inklusive Umlaute und ß. Denn: Ich bin wieder in Deutschland.

Seit dem 22. Dezember hat mich meine Heimat zurück. Zum ersten Mal Urlaub in Deutschland! Um 5 Uhr 30 hieß es am Freitag morgen aufstehen, Lyon Saint-Exupéry, Düsseldorf, Aurich. Nun bin ich hier und es ist verdammt merkwürdig, sich auf einmal wieder durch Aurichs Straßen zu bewegen.

Im Gegensatz zum letzten Jahr habe ich im Kreise meiner Schwester und meiner Mutter wieder ein sehr schönes Weihnachten verlebt. Das Essen wurde meinen exil-deutschen Wünschen entsprechend angefertigt (Kartoffelsalat und Schnitzel!), Rotwein gibt es trotzdem. Darüber freut sich vor allem meine Mutter und begleitet das Geschenkeauspacken meiner Schwester mit erheiternden Kommentaren: "Das sieht von hier aus irgendwie aus, als würdest du die Tüten mit links aufschneiden."

Mein rechtshändige Schwester wirft einen skeptischen Blick über das Weinglas hinweg meiner Mutter entgegen und vertieft sich dann wieder in die Aufbauanleitung ihres Playmobilkrankenhauses. Zwischendurch wichtige Fragen wie: "Wozu kann man das hier gebrauchen?" - "Luftröhrenschnitt" - "Achso!" Keinerlei Nachfrage. Vielleicht unterschätze ich meine zehnjährige Schwester manchmal.

Auch wenn Schnee mittlerweile in Ostfriesland keine Tradition mehr zu haben scheint, war Heiligabend heute wieder weihnachtlich.

Sonntag, 17. Dezember 2006

Vorgeweihnachtet

Unser Direktor Patrick Cocoran, Mouhrad, muslimischer WeihnachtsmannEigentlich ist Weihnachten ja erst am 25. Dezember -- ja, die Franzosen sind genauso spaet dran, wie die Amerikaner -- aber wir konnten es nicht mehr abwarten und haben Jesus Geburtstag vorgefeiert.

[Foto links: Direktor Patrick Corcoran, muslimischer Weihnachtsmann Mourad]

Der Tag begann mit einer Messe in unserer Kapelle. Immer ein Erlebnis wert. Und das nicht nur, weil ich mit den katholischen Riten nicht mitkomme, sondern weil eine Messe in der Arche einfach anders ist. Neben dem Altar war eine Krippe aufgebaut, die jedoch einen leeren Eindruck machte. Jedes Foyer sollte eine Figur der Weihnachtsszene anfertigen. Andaechtig wurden die Jungfrau Maria nebst Esel und Josef hineingetragen. Blosz Jesus hatte ein wenig Verspaetung und wurde nachgereicht.

Danach wurde im groszen Kreis weitergefeiert. Vor der gesamten communauté wurde ich genoetigt, "O Tannenbaum" auf deutsch anzustimmen. Ich haette mich wie unsere Suedamerikanerin rausreden sollen. Die hat einfach behauptet, sie haette den Liedtext nicht auf spanisch gefunden...

Das anschlieszende Krippenspiel war einmalig. Wir hatten die besten Schafe und die besten Engel, die man engagieren kann. Selbst Josef war genial. Mit der Einstellung eines Midlifecrisisgeschaedigten ueberliesz er dem erstbesten Hirten das Feld, verliesz den Stall und seine Jungfrau und setzte sich an den Rand. Herrlich :)

Der Abend nahm seinen Hoehepunkt im Festessen im familiaeren Rahmen unseres Foyers. Festessen kann hier woertlich genommen werden, denn ich musste aufpassen, dass ich mich nicht festesse. Hier das Essensaufkommen des heutigen Abends. Garniert mit franzoesischer Uebersetzung zum Auswendiglernen fuer meine lieben Nachhilfeschueler:

Vorspeise (entrée)
- Garnelen (crevettes)
- Lachs (saumon)
- Stopfleber (foie gras)
- Toast (pain de mie)

Hauptgang (plat)
- Kaesefondue (fondue savoyarde)
- Fleischfondue (fondue bourguignonne)
- Rot- und Weiszwein (du rouge et du blanc)

Nachtisch (dessert)
- Kuchenaehnliches leckeres Gebaeck (Bûche de Noël)
- Wein aus der Drôme (Clairette de Die)
- Viele Weihnachtssueszigkeiten :)

Diejenigen, die nun ein gewisses Neidgefuehl entwickelt haben, sind herzlich eingeladen, die bauchschmerzigen Nachwirkungen mit mir zu teilen...

Dienstag, 12. Dezember 2006

Fröhliche Weihnacht überall... tönt es durch die Lüfte -- froher Schall?

Und das ist nichtmal gelogen. Seit heute morgen 10 Uhr wird ganz Hauterives weihnachtlich beschallt.

Seit ich hier bin, habe ich mich immer gefragt, was eigentlich die ganzen Lautsprecher an den Waenden der Haeuser zu suchen haben. Der Alarm des Rettungsdienstes ist es naemlich nicht. Waere auch unnoetig, denn der ist ja so schon laut genug. Nein, diese vielen kleinen niedlichen Lautsprecherlein dienen einzig und allein dazu, an Volksfesten Stimmung zu verbreiten.

Da wir nun dem Weihnachtsfest bedrohlich nahe ruecken, erfreuen wir uns alle an entsprechender Musik aus quaekigen Beschallungsanlagen. Da geht es mir gleich viel weihnachtlicher!

Sonntag, 10. Dezember 2006

Mir geht es bergig

Fuer alle, die es noch nicht wussten: Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich in den Bergen wohne -- und es gefaellt mir sehr gut. Meine Heimat ist sowas von flach, selbst Berge gibt es dort nicht.

Als kleiner Junge hat mir mein Vater immer Abenteuergeschichten aus den Bergen erzaehlt. Die zugeschneite Huette irgendwo an einem Hang, die man nur noch ueber das Dachfenster verlassen konnte... Ich habe nie gewusst, wie es ist, in den Bergen zu leben, aber jetzt bekomme ich so langsam ein Gefuehl dafuer.
Es ist einfach wunderschoen, wenn man einen Berg hochkrackselt, etwas abgemueht den Gipfel erreicht, sich umdreht und vor einem eroeffnet sich die Weite des Tales...

Heute hat uns Francis, einer unserer Personen, in seine Heimatstadt Tain l'Hermitage entfuehrt. Zwischen Weinreben und kleinen Sturzbaechen haben wir uns den Weg bis nach oben erkaempft. Uebrigens wieder einmal ein glaenzendes Beispiel dafuer, dass ich als Assistent auch Vertrauen in meine geistig behinderten Personen habe. Die Gegend um Tain kenne ich kein Stueck. Ich musste mich darauf verlassen, dass er uns nicht Schwierigkeiten bringt. Aber im Gegenteil, wir haben einen wunderschoenen Spaziergang hinter uns, einen Kaffee bei seiner Mutter und ein wenig Muskelkater in den Beinen -- solche Anhoehen sind meine norddeutschen Beine eben nicht gewoehnt.

Samstag, 9. Dezember 2006

Zelebrierte Tradionswurst

Vor unserer Tuer, auf dem Marktplatz von Hauterives, wird heute die Wurst gefeiert.
Das ganze hat etwas von einem kleinen Jahrmarkt. Ponyreiten, Tombola, Trinken - und die Wurst.

Es scheint mir, dass die Franzosen gerne ihre Naturalien feiern. So ist dieses Fest wirklich in der Umgebung als "fête de boudin" angekuendigt worden. Boudin ist der Name dieser zu Weihnachten zelebrierten Traditionswurst. Es gibt sie in weisz und in schwarz. Sie ist lang, sieht fettig aus und liegt bereits in unserem Kuehlschrank. O-Ton einer unserer Personen heute morgen: "Ob schwarz oder weisz, ich schlucke sie alle." ...

Auch Feste des Apfels, des Brotes und der Pflaume sind nicht unueblich. Das Fest des Weins gibt es auch, sogar noch besser: Es werden die verschieden Sorten gefeiert ;) Ich habe schonmal vorsichtig angefragt, ob wir nicht mal eine Weinprobe machen koennten.

Bis dahin bleibt mir ja die Wurst.

Freitag, 8. Dezember 2006

Gesichter zeigen

Was mache ich hier eigentlich? Die Frage stellt man mir in letzter Zeit haeufiger. Zu Recht, denn bisher habe ich noch nicht allzuviele Worte darueber verloren, was hier meinen Alltag fuellt.

Es ist also an der Zeit, Gesichter zu zeigen!
Mein foyer, die Chaumière. Auch wenn Namen Schall und Rauch sein moegen, ich will sie alle mit Namen nennen: Anne, Chantal, Michelle, Francis, Soline, Annie, Nathalie, Claire, Patrick, Brigitte, Chantal, Martine, Jacques, Laura et Caterine.

Ich bin gerade mal drei Monate hier, aber mit all diesen Namen verbinde ich bereits etwas. Das ist ein schoenes Gefuehl. Groesztenteils:)

7 Uhr 44 Wecken. 7 Uhr 45 Arbeit.
Ein typischer Werktag beginnt entweder mit dem Klingeln meines Weckers zwischen sechs und sieben Uhr. Oder mit dem etwas lauteren Klingeln des Feuerwehrnotrufs. Dieses vorsintflutliche Benachrichtigungssystem, keine fuenfzig Meter von unserem foyer am Rathaus angebracht, besitzt den Charme eines Fliegeralarms aus dem zweiten Weltkrieg - vor allem um fuenf Uhr morgens.

Da die Personen in verschiedenen Betrieben und Einrichtungen arbeiten, beginnt mein Arbeitstag entweder um 7 Uhr 15, oder um 7 Uhr 45. Je nachdem, mit welchen Personen ich fruehstuecke.
Mein Weg zur Arbeit ist nicht sonderlich lang. Zwei Treppen. Das ermoeglicht es mir, im seltenen Falle totaler Uebermuedung, wirklich jede Minute Schlaf auszunutzen. 7 Uhr 44 Wecken. 7 Uhr 45 Arbeit.

Bin ich ersteinmal unten angekommen, strumpel ich zum Planning, um mir die Aufgaben fuer den Tag anzusehen. Manchmal bekomme ich dann einen kleinen Schreck, weil ich einen Transport fahren muss und schon fast zu spaet dran bin. Manchmal will ich den Schreck verhindern, stehe extra frueh auf, fall die Treppe nach unten, schaue auf das Planning, stelle fest, dass ich noch eine Stunde schlafen kann und versuche das dann vergebens.

Fruehstueck. Spaetestens beim Austeilen der Medikamente bin ich vollkommen wach. Aus Gruenden des gesunden Menschenverstandes. Giftnotruf ist uebrigens die 17.

Busfahrer Kersten
Einige Personen werden von Assistenten unserer communauté zur Arbeit gebracht. Ein bis zweimal die Woche stehe ich also um ca 6 Uhr 30 auf, um eine Stunde spaeter in einen groszen Transporter - Neunsitzer - einzusteigen. Die Route, die ich fahre war nicht ganz leicht zu merken. Aber mittlerweile habe ich keine Schwierigkeiten mehr - auch wenn manche Personen grundsaetzlich der Meinung sind, ich sei zu spaet dran ;)

Hausmann gesucht?
Um 9 Uhr bin ich dann wieder in Hauterives. Stehen keine anderen Zusammentreffen, Termine oder Einkaeufe an, bin ich dann wieder im Foyer. Man koennte auch sagen, meine Weiterbildung zum perfekten Hausmann. Ich sauge Staub, ich wische, ich putze die Toiletten, ich mache die Waesche, ich buegel und ich koche. Jemand interessiert an mir?

Ja, Mutter, ich weisz die letzten zwanzig Jahre jetzt zu schaetzen.

Sieste
Um 12 Uhr ist Mittag, danach Mittagspause. Die sogenannte sieste sollte man nicht unterschaetzen. Nachdem ich gemerkt habe, dass in Frankreich ein Groszteil der Geschaefte von 12 bis 14 oder sogar 15 Uhr geschlossen hat, habe auch ich entschlossen, diese Pause sehr ernstzunehmen. Unsere Sofen (oder Sofas) sind dazu durchaus geeignet.

Nachmittag
Von 14 bis 17 Uhr habe ich frei. Die meisten anderen Assistenten auch und so machen wir recht hauefig etwas zusammen. Nichts groszartiges, aber ein Kaffee in Romans ist schon ein guter Ausgleich.

Ab 17 Uhr kommen die Personen dann von der Arbeit zurueck. Man isst eine Kleinigkeit zusammen, die Personen regeln ihre Sachen wie Waesche, Aufgaben im Haus usw.

Kochen fuer Zwoelf
Wenn ich mit Kochen an der Reihe bin, schnappe ich mir die Person, die ebenfalls fuer das Kochen eingeplant ist und dann wird fuer 19 Uhr ein warmes Abendessen gezaubert. Das ist fuer 12 Personen nicht immer ganz einfach was die Quantitaet betrifft, aber meine Leute haben ein gutes Herz...

Das allabendliche Essen ist jedes Mal ein wichtiges Ereignis. Dort ist wirklich das ganze Foyer zusammen, es gibt genaue Ablaeufe - und es wird viel gelacht :) Eine genauere Beschreibung wird bei Gelegenheit folgen.

Nach dem Essen hat jeder im Foyer seine Aufgabe: Abwasch, Abtrocknen, Geschirr wegrauemen, Kueche und Esssaal fegen. Das ganze nimmt nicht wenig Zeit in Anspruch, denn der gesamte Abwasch wird bei uns von Hand erledigt.

Danach finden sich die meisten von uns im Wohnzimmer ein. Es wird gespielt, fern gesehen oder Briefe geschrieben. Manchmal werden auch Freunde aus anderen Foyers oder der communauté eingeladen.

Feier, Abend
Spaetestens um 22 Uhr schicken wir unsere Schuetzlinge dann ins Bett. Wann auf den Zimmern das Licht ausgeht, ist verschieden. Es zu kontrollieren ist aber nicht noetig, man sieht es demjenigen am naechsten Morgen eh an. Mir geht es da nicht anders.

Das ist auch der Zeitpunkt, an dem fuer einen von uns die réference de sécurité beginnt. Wenn wir nett sind, bleiben wir mit demjenigen im Foyer und trinken einen Wein zusammen. Aber in den anderen Foyers gibt es ja auch solche armen Leute, die dort bleiben muessen. So trifft man sich immer mal wieder in einem anderen Foyer und laesst den Abend ruhig ausklingen...

Donnerstag, 7. Dezember 2006

Deutsches Biernetzwerk

Welch Freude! Da geht einer unserer Personnen fuer ein Praktikum in eine andere communauté und mit was kommt er zurueck? Mit einem Paeckchen fuer mich!
Merkmale: Laenglich, schwer.

Ich oeffne also das Paket und was sehe ich? Bier, mit deutschem Etikett! Ich hab nicht schlecht gestaunt... Mit dabei ein Brief. Von wem kam also dieses geheimnisvolle Paeckchen?
Von Bene, den ich auf dem Vorbereitungsseminar in Erfurt kennengelernt habe. Er lebt ebenfalls in einer Arche in Frankreich und hat wohl unseren Praktikanten von mir erzaehlen gehoert.

Hiermit vielen Dank fuer diese kleine Ueberraschung! Die Flaschen hebe ich mir fuer einen besonderen Anlass auf . Sobald ich nach Weihnachten mein Bier importiert habe, bekommst Du Post;) Spaetestens dann sollten wir das Deutsche Biernetzwerk eroeffnen. Denn ich glaube in einem sind wir uns einig: Franzoesisch Bier ist einfach nicht gut.