Dienstag, 30. Januar 2007

Zu früh Stück

Letztens erst habe ich wieder gelesen, das Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit des Tages. Das ließ mich erst einmal an unsere völlig überarbeitete Buchhalterin denken, die morgens rein gar nichts isst, dafür aber vor neun Uhr mindestens schon drei Zigaretten konsumiert hat. Dass das nicht gesund sein kann, sieht man an der bisweilen zitternden Hand, die an einem Becher Kaffee Halt sucht.

Aber auch ich kann morgens nicht mehr richtig essen. Es schmeckt mir nicht. Wenn ich also einen Transport fahre, und dazu um 7 Uhr 30 das Haus verlasse, hatte ich zuvor zwar genügend Zeit, aber keineswegs die Motivation zu frühstücken. Spätestens nach einer halben Stunden Autofahrt nimmt mir mein Magen das übel. Im wahrsten Sinne des Wortes. Erst ab neun Uhr, ungefähr zu der Zeit, zu der ich wieder im foyer ankomme, ist mein Körper soweit, Essbares zu sich zunehmen. Das bedeutet ausgiebiges Frühstück mit viel Aufschnitt (ein Graus für die zuckersüßen Franzosen), Toast, Kaffee und frisch gepresstem Orangensaft. Ich kann nur froh und dankbar sein, dass ich mich so gut mit meinen Kollegen verstehe. Denn ab 9 Uhr beginnt offiziell die Arbeit.

Mittwoch, 24. Januar 2007

Mein erster französischer Schnee

Mein Auto trägt ein weißes Kondom. Viele mögen sich jetzt fragen: Wieso weiß? Es hat geschneit! Mein erster französischer Schnee ist vom Himmel gefallen. Hauterives sieht mit Schneemütze genau so schön aus, wie ich es mir vorgestellt habe! Eine unserer Personen, Soline, sagte dann heute morgen auch sehr passend: La neige, ça fait jolie décoration du paysageDer Schnee, das ist eine schöne Landschaftsdekoration. Das hat sie wohl besonders gefreut, weil ihr Taxi, das sie zur Arbeit fährt, nicht kommen konnte: 10 Zentimeter Glatteis zwischen Fahrbahn und Reifen. Sicherheit geht nun einmal vor. Und à propos 10 Zentimeter: Das mit der Sicherheit gilt ja auch für Geschlechtsverkehr. Ohne in das Intimleben meines Gefährts eindringen zu wollen, so fragt man sich doch: Seit wann verhüten kleine schwarze Autos?

Dazu müssen wir ersteinmal herausfinden, was Cabriolet auf französisch heißt. Man könnte meinen, das sei schon französisch? Richtig. Nur nennt das keiner so. Man spricht von einem décapotable. Darin steckt das Wort capote, was soviel wie Verdeck heißt. Das Wort hat aber auch noch eine zweite Bedeutung. Denn was bei uns ein Pariser ist, ist entgegen aller Vermutungen kein parisien in Frankreich. Nein.

Verdeck = capote
Kondom = capote

Sonntag, 21. Januar 2007

WSV

Seit dem 10. Januar steht die Abkürzung WSV für Winter-Schluss-Verrückheit. Die sogenannten soldes haben begonnen, und es wird einem schlecht, wenn man dieser Tage einen Laden betritt. Die Franzosen sind fünfmal schlimmer, als ein deutscher Schnäppchenjäger an einem Donnerstagmorgen, kurz nach Ladenöffnung des örtlichen ALDI.

Selbst sonst edel wirkende Läden sind völlig überfordert. Die wahnsinnig gewordene Masse schnetzelt sich mit einer Professionalität durch die Regale und Kleiderständer, dass einem schlecht wird. Die Hälfte der Kleidungsstücke liegt am Boden, weitere fallen herunter und werden von Unheil bringenden Füßen mit Staub bedeckt.

Im Fernsehen werden Aufnahmen gezeigt, wo die wilde Menschenmenge schon um fünf Uhr morgens vor den Geschäften wartet. Tokio-Hotel-Zustände.

Das einzige Lustige bei dem Ganzen: Die Schlange bei den Frauentoiletten ist so lang wie bei einem Volksfest. Aber im Gegensatz zum Festplatz ist hier das Wildpinkeln unpopulär. Ein letztes bisschen zivilisiertes Benehmen haben sie sich also bewahrt, die Franzosen.

Freitag, 19. Januar 2007

Duschobst

Sagt sich das? Natürlich nicht. Auf deutsch fragt man: Sagt man das? Eine von mir häufig gestellte Frage hier in Frankreich. Denn viele Wendungen lassen sich zwar leicht übersetzen. Geläufig sind sie deswegen noch lange nicht. Das beginnt schon bei eben dieser Frage. Auf französisch sagt man: ça se dit? Ist doch auch viel besser! So fragt man das Wort gleich selbst, ob es sich sagt !

Unter diesem Stern möchte ich von nun an mein Zelt der interessanten, lustigen und bisweilen merkwürdigen Phrasen und Vokabeln aufschlagen.

Beginnen wir mit Duschobst.

Eines Morgens, als ich mich mit verschlafenen Augen in die Dusche begab, traf der Wasserstrahl nicht mein Gesicht, sondern nur meine Füße. Der Winkel des Duschkopfes hatte sich verändert. Bei genauerem Hinsehen merkte ich: Der gesamte Duschkopf hatte sich über Nacht gewandelt. Vollmond? Duschkopfwanderung? Frisch geduscht, aber leicht verwirrt ging ich nach unten. Irgendwas stimmt mit der Dusche nicht, tat ich am Frühstückstisch kund. Francis hatte die Antwort: Ich habe heute morgen den Apfel gewechselt. - Ich spreche von der Dusche! - Ich auch, ich habe den Apfel der Badewanne genommen, und ihn in der Dusche angeschraubt.

Man lerne: Duschkopf = pomme

Dienstag, 16. Januar 2007

Montag ist Pillentag

Kennt ihr dieses wunderbare Gefühl, das man beim Zerdrücken von Luftpolsterfolien spürt? Wenn man größer ist und zufällig in einer medizinischen Einrichtung (médico-psy) arbeitet, hört man auf, mit dieser Kinder-Knall-Folie.

Dann drückt man Pillen aus ihrer Verpackung heraus. Welch ein Vergnügen :)

Jeden Montag präpariere ich die Medikamente für die kommende Woche. Noch weiß ich nicht so ganz, was ich dort eigentlich in die kleinen Fächer einsortiere. Mit einigen Pillen sollte man laut Packungsbeilage jedoch das Autofahren unterlassen. Tranquiliser.

[Ich habe übrigens keine Ahnung, wie so eine Box (siehe Foto) auf deutsch heißt. Auf französisch nennt sich das semainier, was sich von der Woche semaine ableitet. Vorschläge per Kommentar erbeten.]

Sonntag, 14. Januar 2007

Frühlingswinter per Auto

Es ist wunderschönes Wetter in der Drôme. Sonnenschein bei 15 Grad Celsius. Man sieht die Chartreuse fast von der Haustür aus, so klar ist der Himmel. Mit Auto und Kamera habe ich nach langer Zeit also mal wieder die Gegend erkundet. Das wäre alles so schön, wenn es nicht einen Haken hätte: 9. Januar. Das riecht nach Frühlingswinter und das wiederum stinkt nach globaler Erwärmung...



[Für alle über vierzig: Auf das Bild klicken, es verbergen sich mehrere dahinter!]

Montag, 8. Januar 2007

Entweihnachtet

Wenn Frauenbeine so einfach zu epilieren wären, wie dieser Weihnachtsbaum! Einmal mit dem Finger über den Ast streichen und danach das nadellose reine Gefühl des puren Holzes genießen ...

Heute war es soweit. Wir haben entweihnachtet. Oder vielmehr Claire. Denn ich habe mir recht schnell und absolut unabsichtlich beim Zerlegen des Weihnachtsbaumes in die Hand gesägt. Darauf hin musste ich mir von Claire anhören, ich sei kein guter Pfadfinder und wurde vom Dienst suspendiert. Dabei stammte die Idee, den Tannenbaum zu Feuerholz zu recyclen, von mir. Unverschämtheit.

Am Ende habe ich mich aber doch noch nützlich gemacht und Claires Kunstwerk "Nachweihnachtszeit" photographisch festgehalten.

In diesem Werk des frühen dritten Jahrtausends finden sich zahlreiche Objekte der sogenannten Vorweihnachtszeit. Der Kontrast entsteht durch die Entweihnachtung des einst glamourösen Geschenkpapiers und den blitzenden (ja, hier geht's!) Weihnachtskugeln, die in ihrer Zerbrochenheit nur noch Trauer widerspiegeln. Die verdörrten Adventskränze zieren das Ensemble wie die Pariser Vorstädte die französische Hauptstadt. Nur das Jesuskind trohnt noch hoch oben über dem Geschehen. Doch seine Hütte war von Anfang an erbärmlich. Status quo: unverändert.

Dennoch, hier ist nicht die Rede von Trauer über den Verlust der Weihnachtszeit. Denn jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Ein Neuanfang gar? Wir werden sehen. 2007 sei uns willkommen!

Sonntag, 7. Januar 2007

Ich hab die Bohne!

Das hört sich auf deutsch etwas seltsam an, auf französisch klingt das so: J'ai eu la fève!
Wo habe ich die Bohne also gefunden? In einem Stück Kuchen.

Epiphanias (was ist das?), wird in Frankreich mit einer amüsanten Tradition begangen. Der Suche nach der königlichen Bohne im Kuchen.

Zunächst musste ich mich - da ich der Jüngste bin - unter den Tisch setzen. Um mich herum die sexy Beine meiner Mitbewohner und etwas Reis, den mein lieber Patrick geschickt um sich herum verteilt hatte. Ein paar Zentimeter über meinem Kopf wurde der Blätterteigkuchen der Könige (Dreikönigskuchen heißt das? Danke, Leo.) angeschnitten. Ab da an hörte alles auf mein Kommando! Ich habe einen nach dem anderen beim Namen gerufen, erst dann wurde der Kuchen zugeteilt. Als Unparteiischer habe ich mir selbst natürlich als letzter das Stück zukommen lassen... Danach war vorsichtiges Kauen angesagt, denn zwei von uns sollten schon sehr bald auf ein kleines Stück Keramik beißen - und sich dabei möglichst nicht die Zähne ruinieren.
Mein Stück Kuchen war in dieser Hinsicht sehr zuvorkommend: Ich habe es sofort an der Seite herausblitzen sehen. (Gut, Keramik blitzt nicht, aber einen epischen Versuch war es wert.) Früher war im Kuchen eine Bohne versteckt, heutzutage ist sie von der Industrie durch kleine Figuren aus Plastik oder Keramik ersetzt. Wie dem auch sei, wenn man sie findet ruft man: J'ai eu la fève!

Soline neben mir hatte ebenfalls etwas in ihrem Kuchen. Somit wurden wir beiden zu Königin und König gekrönt! Ich habe mich gleich rückversichert, ob das irgendwelche Verpflichtungen mit sich zieht, aber zum Glück war dem nicht so.

Nicht einmal den Abwasch musste ich machen.

[Falls übrigens jemand erklären kann, wie diese Tradition entstanden ist, der möge mir Bescheid geben. Ich war zu schlapp und faul, es heute noch zu recherchieren und die Franzosen waren da niedlicher Weise etwas überfragt.]