Dienstag, 10. Oktober 2006

Ein Stueck Franzose

Mein Portemonnaie fuellt sich so langsam mit Karten, die mich – symbolisch gesprochen – immer mehr ein Stueck Franzose werden lassen.

Doch die Buerokratie in Frankreich nimmt sich nichts im Vergleich zur deutschen. Bis zum von Plastik eingerahmten Chip war es ein langer Weg.

Bankgeschaefte
Man sollte meinen, jede Bank freut sich ueber neue Kunden mit geregeltem Einkommen.

Das dachte ich mir zumindest, als ich bei der ortsansaessigen "Crédit Agricole" – kurz CA – ein Konto eroeffnen wollte. Mit einer Bescheinigung meines Arbeitgebers ueber einen festen Wohnsitz, eine Sozial- und Krankenversicherung, sowie einer Gehaltsbescheinigung ging ich frohen Mutes zum Kundenberater meines Vertrauens. Selbst Personalausweis und genuegend Zeit hatte ich mitgebracht. Ersteres wurde sofort kopiert, letzteres stellte sich als unnuetz heraus:

Um ein Konto zu eroeffnen, durfte ich ersteinmal einen Termin vereinbaren. Wie beim Friseur – und ich spreche von der Wartezeit. Fast eine Woche spaeter, an einem Samstagmorgen um neun Uhr, ging ich also erneut zur Bank. Relativ zuegig und mit einem freundlichen Laecheln wurde mir klar gemacht, dass ich und mein Geld nicht erwuenscht sind. "Sie koennen ein Konto eroeffnen. Aber Sie werden weder Bankkarte noch Cheques erhalten. Vielleicht ist es Ihnen auch lieber, bei einem anderen Institut ein Konto einzurichten."

Man muss dem Filialleiter jedoch zu Gute halten, dass er sich nach dieser subtilen Ablehnung doch noch erklaerte. In der vergangen Zeit habe er zunehmend Probleme mit der Arche gehabt. Welche Probleme das waren, war nicht zu erfahren. Doch muessen es gewaltig viele sein, denn die Arche regelt ihre gesamten Finanzen ueber diese Filiale...

Nach diesem ernuechternden Ereigniss und einem gewissen Unmut darueber, dass sich das fruehe Aufstehen nicht gelohnt hatte, informierte ich mich dann bei den anderen Assistenten. Wie sich herausstellte, war ich zwar der Erste, der auf diese Art und Weise herauskomplimentiert wurde, aber schlechte Erfahrungen mit den Kundenberatern hatten schon einige vor mir gemacht.

Die Woche darauf fuhr ich mit all meinen Bescheinigungen in den naechsten Ort. Zum selben Kreditinstitut. Zwar musste ich auch dort erst wieder auf einen freien Termin – fuenf Tage spaeter – warten, aber war ich am Ende doch erfolgreich. Ueber eine Stunde sasz ich in der Bank und unterschrieb gefuehlte hundert Formulare. Unten links die Initialen setzen, in drei Sekunden das Kleingedruckte ueberfliegen, das Misstrauen runterschlucken, und wieder unterschreiben.

Jetzt bin ich stolzer Besitzer einer carte bancaire, mit der ich bis auf Maut und Tankautomaten alles bezahlen kann. Selbstverstaendlich kann ich auch Geld abheben. Deswegen zog es mich nach Erhalt meiner Karte aus irgendeinem (Rache-)Gefuehl zu unserer CA-Filiale, wo ich langsamen Schrittes am Schalter vorbei zum Geldautomaten ging und froehlich in mich hinein grinste.

Krankenversichert
... bin ich nun auch. Und zwar gleich doppelt.
Noch in Deutschland habe ich meine Krankenversicherung fuer ein Jahr ausgesetzt. Denn ueber meine Entsendeorganisation VIA e.V. bin ich durch einen Gruppenvertrag bei der VICTORIA versichert und kann mich deshalb im Krankheitsfall bei der "fid" melden, wenn ich mein Geld zurueck moechte. Alles klar?

Fuer die Arche ist es aber Pflicht, dass ich im franzoesischen System versichert bin. Die Kosten uebernimmt mein Arbeitgeber und der Staat. Ich besitze nun wie so ziemlich jeder Franzose die sogenannte carte vitale. Ich habe keine Ahnung, wer im Krankheitsfall eigentlich wo was zahlt. Die Karte macht sich aber ganz nett in meinem Portemonnaie.

Ich hoffe, wenn ich krank werde, gleich ins Koma zu fallen. Dann koennen die anderen sich den Kopf zerbrechen, welche Karten sie zuecken muessen.