Sonntag, 24. Dezember 2006

Weihnachtsurlaub in Deutschland

Fröhliche Weihnachten! Dies wünsche ich euch von ganzem Herzen – inklusive Umlaute und ß. Denn: Ich bin wieder in Deutschland.

Seit dem 22. Dezember hat mich meine Heimat zurück. Zum ersten Mal Urlaub in Deutschland! Um 5 Uhr 30 hieß es am Freitag morgen aufstehen, Lyon Saint-Exupéry, Düsseldorf, Aurich. Nun bin ich hier und es ist verdammt merkwürdig, sich auf einmal wieder durch Aurichs Straßen zu bewegen.

Im Gegensatz zum letzten Jahr habe ich im Kreise meiner Schwester und meiner Mutter wieder ein sehr schönes Weihnachten verlebt. Das Essen wurde meinen exil-deutschen Wünschen entsprechend angefertigt (Kartoffelsalat und Schnitzel!), Rotwein gibt es trotzdem. Darüber freut sich vor allem meine Mutter und begleitet das Geschenkeauspacken meiner Schwester mit erheiternden Kommentaren: "Das sieht von hier aus irgendwie aus, als würdest du die Tüten mit links aufschneiden."

Mein rechtshändige Schwester wirft einen skeptischen Blick über das Weinglas hinweg meiner Mutter entgegen und vertieft sich dann wieder in die Aufbauanleitung ihres Playmobilkrankenhauses. Zwischendurch wichtige Fragen wie: "Wozu kann man das hier gebrauchen?" - "Luftröhrenschnitt" - "Achso!" Keinerlei Nachfrage. Vielleicht unterschätze ich meine zehnjährige Schwester manchmal.

Auch wenn Schnee mittlerweile in Ostfriesland keine Tradition mehr zu haben scheint, war Heiligabend heute wieder weihnachtlich.

Sonntag, 17. Dezember 2006

Vorgeweihnachtet

Unser Direktor Patrick Cocoran, Mouhrad, muslimischer WeihnachtsmannEigentlich ist Weihnachten ja erst am 25. Dezember -- ja, die Franzosen sind genauso spaet dran, wie die Amerikaner -- aber wir konnten es nicht mehr abwarten und haben Jesus Geburtstag vorgefeiert.

[Foto links: Direktor Patrick Corcoran, muslimischer Weihnachtsmann Mourad]

Der Tag begann mit einer Messe in unserer Kapelle. Immer ein Erlebnis wert. Und das nicht nur, weil ich mit den katholischen Riten nicht mitkomme, sondern weil eine Messe in der Arche einfach anders ist. Neben dem Altar war eine Krippe aufgebaut, die jedoch einen leeren Eindruck machte. Jedes Foyer sollte eine Figur der Weihnachtsszene anfertigen. Andaechtig wurden die Jungfrau Maria nebst Esel und Josef hineingetragen. Blosz Jesus hatte ein wenig Verspaetung und wurde nachgereicht.

Danach wurde im groszen Kreis weitergefeiert. Vor der gesamten communauté wurde ich genoetigt, "O Tannenbaum" auf deutsch anzustimmen. Ich haette mich wie unsere Suedamerikanerin rausreden sollen. Die hat einfach behauptet, sie haette den Liedtext nicht auf spanisch gefunden...

Das anschlieszende Krippenspiel war einmalig. Wir hatten die besten Schafe und die besten Engel, die man engagieren kann. Selbst Josef war genial. Mit der Einstellung eines Midlifecrisisgeschaedigten ueberliesz er dem erstbesten Hirten das Feld, verliesz den Stall und seine Jungfrau und setzte sich an den Rand. Herrlich :)

Der Abend nahm seinen Hoehepunkt im Festessen im familiaeren Rahmen unseres Foyers. Festessen kann hier woertlich genommen werden, denn ich musste aufpassen, dass ich mich nicht festesse. Hier das Essensaufkommen des heutigen Abends. Garniert mit franzoesischer Uebersetzung zum Auswendiglernen fuer meine lieben Nachhilfeschueler:

Vorspeise (entrée)
- Garnelen (crevettes)
- Lachs (saumon)
- Stopfleber (foie gras)
- Toast (pain de mie)

Hauptgang (plat)
- Kaesefondue (fondue savoyarde)
- Fleischfondue (fondue bourguignonne)
- Rot- und Weiszwein (du rouge et du blanc)

Nachtisch (dessert)
- Kuchenaehnliches leckeres Gebaeck (Bûche de Noël)
- Wein aus der Drôme (Clairette de Die)
- Viele Weihnachtssueszigkeiten :)

Diejenigen, die nun ein gewisses Neidgefuehl entwickelt haben, sind herzlich eingeladen, die bauchschmerzigen Nachwirkungen mit mir zu teilen...

Dienstag, 12. Dezember 2006

Fröhliche Weihnacht überall... tönt es durch die Lüfte -- froher Schall?

Und das ist nichtmal gelogen. Seit heute morgen 10 Uhr wird ganz Hauterives weihnachtlich beschallt.

Seit ich hier bin, habe ich mich immer gefragt, was eigentlich die ganzen Lautsprecher an den Waenden der Haeuser zu suchen haben. Der Alarm des Rettungsdienstes ist es naemlich nicht. Waere auch unnoetig, denn der ist ja so schon laut genug. Nein, diese vielen kleinen niedlichen Lautsprecherlein dienen einzig und allein dazu, an Volksfesten Stimmung zu verbreiten.

Da wir nun dem Weihnachtsfest bedrohlich nahe ruecken, erfreuen wir uns alle an entsprechender Musik aus quaekigen Beschallungsanlagen. Da geht es mir gleich viel weihnachtlicher!

Sonntag, 10. Dezember 2006

Mir geht es bergig

Fuer alle, die es noch nicht wussten: Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich in den Bergen wohne -- und es gefaellt mir sehr gut. Meine Heimat ist sowas von flach, selbst Berge gibt es dort nicht.

Als kleiner Junge hat mir mein Vater immer Abenteuergeschichten aus den Bergen erzaehlt. Die zugeschneite Huette irgendwo an einem Hang, die man nur noch ueber das Dachfenster verlassen konnte... Ich habe nie gewusst, wie es ist, in den Bergen zu leben, aber jetzt bekomme ich so langsam ein Gefuehl dafuer.
Es ist einfach wunderschoen, wenn man einen Berg hochkrackselt, etwas abgemueht den Gipfel erreicht, sich umdreht und vor einem eroeffnet sich die Weite des Tales...

Heute hat uns Francis, einer unserer Personen, in seine Heimatstadt Tain l'Hermitage entfuehrt. Zwischen Weinreben und kleinen Sturzbaechen haben wir uns den Weg bis nach oben erkaempft. Uebrigens wieder einmal ein glaenzendes Beispiel dafuer, dass ich als Assistent auch Vertrauen in meine geistig behinderten Personen habe. Die Gegend um Tain kenne ich kein Stueck. Ich musste mich darauf verlassen, dass er uns nicht Schwierigkeiten bringt. Aber im Gegenteil, wir haben einen wunderschoenen Spaziergang hinter uns, einen Kaffee bei seiner Mutter und ein wenig Muskelkater in den Beinen -- solche Anhoehen sind meine norddeutschen Beine eben nicht gewoehnt.

Samstag, 9. Dezember 2006

Zelebrierte Tradionswurst

Vor unserer Tuer, auf dem Marktplatz von Hauterives, wird heute die Wurst gefeiert.
Das ganze hat etwas von einem kleinen Jahrmarkt. Ponyreiten, Tombola, Trinken - und die Wurst.

Es scheint mir, dass die Franzosen gerne ihre Naturalien feiern. So ist dieses Fest wirklich in der Umgebung als "fête de boudin" angekuendigt worden. Boudin ist der Name dieser zu Weihnachten zelebrierten Traditionswurst. Es gibt sie in weisz und in schwarz. Sie ist lang, sieht fettig aus und liegt bereits in unserem Kuehlschrank. O-Ton einer unserer Personen heute morgen: "Ob schwarz oder weisz, ich schlucke sie alle." ...

Auch Feste des Apfels, des Brotes und der Pflaume sind nicht unueblich. Das Fest des Weins gibt es auch, sogar noch besser: Es werden die verschieden Sorten gefeiert ;) Ich habe schonmal vorsichtig angefragt, ob wir nicht mal eine Weinprobe machen koennten.

Bis dahin bleibt mir ja die Wurst.

Freitag, 8. Dezember 2006

Gesichter zeigen

Was mache ich hier eigentlich? Die Frage stellt man mir in letzter Zeit haeufiger. Zu Recht, denn bisher habe ich noch nicht allzuviele Worte darueber verloren, was hier meinen Alltag fuellt.

Es ist also an der Zeit, Gesichter zu zeigen!
Mein foyer, die Chaumière. Auch wenn Namen Schall und Rauch sein moegen, ich will sie alle mit Namen nennen: Anne, Chantal, Michelle, Francis, Soline, Annie, Nathalie, Claire, Patrick, Brigitte, Chantal, Martine, Jacques, Laura et Caterine.

Ich bin gerade mal drei Monate hier, aber mit all diesen Namen verbinde ich bereits etwas. Das ist ein schoenes Gefuehl. Groesztenteils:)

7 Uhr 44 Wecken. 7 Uhr 45 Arbeit.
Ein typischer Werktag beginnt entweder mit dem Klingeln meines Weckers zwischen sechs und sieben Uhr. Oder mit dem etwas lauteren Klingeln des Feuerwehrnotrufs. Dieses vorsintflutliche Benachrichtigungssystem, keine fuenfzig Meter von unserem foyer am Rathaus angebracht, besitzt den Charme eines Fliegeralarms aus dem zweiten Weltkrieg - vor allem um fuenf Uhr morgens.

Da die Personen in verschiedenen Betrieben und Einrichtungen arbeiten, beginnt mein Arbeitstag entweder um 7 Uhr 15, oder um 7 Uhr 45. Je nachdem, mit welchen Personen ich fruehstuecke.
Mein Weg zur Arbeit ist nicht sonderlich lang. Zwei Treppen. Das ermoeglicht es mir, im seltenen Falle totaler Uebermuedung, wirklich jede Minute Schlaf auszunutzen. 7 Uhr 44 Wecken. 7 Uhr 45 Arbeit.

Bin ich ersteinmal unten angekommen, strumpel ich zum Planning, um mir die Aufgaben fuer den Tag anzusehen. Manchmal bekomme ich dann einen kleinen Schreck, weil ich einen Transport fahren muss und schon fast zu spaet dran bin. Manchmal will ich den Schreck verhindern, stehe extra frueh auf, fall die Treppe nach unten, schaue auf das Planning, stelle fest, dass ich noch eine Stunde schlafen kann und versuche das dann vergebens.

Fruehstueck. Spaetestens beim Austeilen der Medikamente bin ich vollkommen wach. Aus Gruenden des gesunden Menschenverstandes. Giftnotruf ist uebrigens die 17.

Busfahrer Kersten
Einige Personen werden von Assistenten unserer communauté zur Arbeit gebracht. Ein bis zweimal die Woche stehe ich also um ca 6 Uhr 30 auf, um eine Stunde spaeter in einen groszen Transporter - Neunsitzer - einzusteigen. Die Route, die ich fahre war nicht ganz leicht zu merken. Aber mittlerweile habe ich keine Schwierigkeiten mehr - auch wenn manche Personen grundsaetzlich der Meinung sind, ich sei zu spaet dran ;)

Hausmann gesucht?
Um 9 Uhr bin ich dann wieder in Hauterives. Stehen keine anderen Zusammentreffen, Termine oder Einkaeufe an, bin ich dann wieder im Foyer. Man koennte auch sagen, meine Weiterbildung zum perfekten Hausmann. Ich sauge Staub, ich wische, ich putze die Toiletten, ich mache die Waesche, ich buegel und ich koche. Jemand interessiert an mir?

Ja, Mutter, ich weisz die letzten zwanzig Jahre jetzt zu schaetzen.

Sieste
Um 12 Uhr ist Mittag, danach Mittagspause. Die sogenannte sieste sollte man nicht unterschaetzen. Nachdem ich gemerkt habe, dass in Frankreich ein Groszteil der Geschaefte von 12 bis 14 oder sogar 15 Uhr geschlossen hat, habe auch ich entschlossen, diese Pause sehr ernstzunehmen. Unsere Sofen (oder Sofas) sind dazu durchaus geeignet.

Nachmittag
Von 14 bis 17 Uhr habe ich frei. Die meisten anderen Assistenten auch und so machen wir recht hauefig etwas zusammen. Nichts groszartiges, aber ein Kaffee in Romans ist schon ein guter Ausgleich.

Ab 17 Uhr kommen die Personen dann von der Arbeit zurueck. Man isst eine Kleinigkeit zusammen, die Personen regeln ihre Sachen wie Waesche, Aufgaben im Haus usw.

Kochen fuer Zwoelf
Wenn ich mit Kochen an der Reihe bin, schnappe ich mir die Person, die ebenfalls fuer das Kochen eingeplant ist und dann wird fuer 19 Uhr ein warmes Abendessen gezaubert. Das ist fuer 12 Personen nicht immer ganz einfach was die Quantitaet betrifft, aber meine Leute haben ein gutes Herz...

Das allabendliche Essen ist jedes Mal ein wichtiges Ereignis. Dort ist wirklich das ganze Foyer zusammen, es gibt genaue Ablaeufe - und es wird viel gelacht :) Eine genauere Beschreibung wird bei Gelegenheit folgen.

Nach dem Essen hat jeder im Foyer seine Aufgabe: Abwasch, Abtrocknen, Geschirr wegrauemen, Kueche und Esssaal fegen. Das ganze nimmt nicht wenig Zeit in Anspruch, denn der gesamte Abwasch wird bei uns von Hand erledigt.

Danach finden sich die meisten von uns im Wohnzimmer ein. Es wird gespielt, fern gesehen oder Briefe geschrieben. Manchmal werden auch Freunde aus anderen Foyers oder der communauté eingeladen.

Feier, Abend
Spaetestens um 22 Uhr schicken wir unsere Schuetzlinge dann ins Bett. Wann auf den Zimmern das Licht ausgeht, ist verschieden. Es zu kontrollieren ist aber nicht noetig, man sieht es demjenigen am naechsten Morgen eh an. Mir geht es da nicht anders.

Das ist auch der Zeitpunkt, an dem fuer einen von uns die réference de sécurité beginnt. Wenn wir nett sind, bleiben wir mit demjenigen im Foyer und trinken einen Wein zusammen. Aber in den anderen Foyers gibt es ja auch solche armen Leute, die dort bleiben muessen. So trifft man sich immer mal wieder in einem anderen Foyer und laesst den Abend ruhig ausklingen...

Donnerstag, 7. Dezember 2006

Deutsches Biernetzwerk

Welch Freude! Da geht einer unserer Personnen fuer ein Praktikum in eine andere communauté und mit was kommt er zurueck? Mit einem Paeckchen fuer mich!
Merkmale: Laenglich, schwer.

Ich oeffne also das Paket und was sehe ich? Bier, mit deutschem Etikett! Ich hab nicht schlecht gestaunt... Mit dabei ein Brief. Von wem kam also dieses geheimnisvolle Paeckchen?
Von Bene, den ich auf dem Vorbereitungsseminar in Erfurt kennengelernt habe. Er lebt ebenfalls in einer Arche in Frankreich und hat wohl unseren Praktikanten von mir erzaehlen gehoert.

Hiermit vielen Dank fuer diese kleine Ueberraschung! Die Flaschen hebe ich mir fuer einen besonderen Anlass auf . Sobald ich nach Weihnachten mein Bier importiert habe, bekommst Du Post;) Spaetestens dann sollten wir das Deutsche Biernetzwerk eroeffnen. Denn ich glaube in einem sind wir uns einig: Franzoesisch Bier ist einfach nicht gut.

Donnerstag, 30. November 2006

Deutsche Pflichten

Hatte ich eigentlich erwaehnt, dass ich keineswegs meine deutschen Pflichten vergessen habe? Ist schon laenger her, aber ich habe die Muehe - und das Porto! - auf mich genommen und gewaehlt.

Was dabei rausgekommen ist, weisz ich. Jetzt ist es an euch, mir zu erzaehlen, was sich veraendert hat!
Eigentlich kann es ja nur besser geworden sein...

Mittwoch, 29. November 2006

Viel Zeit vergangen - und (viel) angestellt

Es ist wirklich viel Zeit vergangen. Mein Blog reiht sich ein, in die grosze Ahnengalerie der vernachlaessigten Orte dieser Blogosphaere...

Dabei ist gar nicht mal so wenig passiert.
Ich bin angestellt. Eingestellt? Einstellungssache. Engagiert klingt besser. Nicht weil es franzoesisch ist, sondern weil es zeigt, dass mir die Arbeit wichtig ist, dass ich Interesse zeige. Engagiert eben.
Genau das habe ich zu meiner offiziellen Einstellung auch gesagt. Ich hatte mir richtig Gedanken gemacht, schlieszlich wurde ich extra darauf hingewiesen, dass ein paar Worte meinerseits recht erfreulich waeren. Brav von meinem Notizzettel abgelesen und tapfer in die Runde geschaut. Zustimmendes Nicken. Sogar von den Alten.

Kurzzeitig hatte ich schon befuerchtet, meine kleine Rede sei vielleicht zu hochtrabend, ja unpassend fuer diesen Anlass. Dieser Zweifel manifestierte sich dann auch schlagartig, als die naechste neue Assistentin das Mikro ueberreicht bekam und mit leicht rotem Kopf signalisierte, dass sie so rein gar nichts zu sagen hatte. Ich weisz ehrlich nicht, wer sich von uns beiden am laecherlichsten gemacht hat.

Neue Engagements sind wichtig in der Arche. Nicht nur wegen des Personalmangels. Es bedeutet gleichzeitig auch die Aufnahme in die communauté. Neben allerlei Verantwortlichkeiten (Verantwortlicher der Fahrzeuge und der Lebensmittel), habe ich praktische Dinge ueberreicht bekommen. Neben einem schoenen bol, war das schoenste und symboltraechtigste Geschenk meine eigene rond serviette - da ich keine passende Uebersetzung gefunden habe, nenne ich es mal den Tischtuchidentifikator.

Der Tischtuchidentifikator wird nur zum Essen herausgeholt und unterscheidet sich somit stark vom gemeinen Taschentuch. Das Tischtuch wird woechentlich gewaschen. In diesen sieben Tagen moechte ein jeder selbstverstaendlich nur sein eigenes dreckiges Stueck Stoff zum Mund fuehren. Deswegen findet sich auf jedem Tischtuchidentifikator der Name des Besitzers. Kunstvoll eingraviert und jedes ein Unikum. Gleichzeitig dient es auch dazu, die Sitzordnung bei Tisch festzulegen. Dies hat vor allem seine praktischen Seiten, da nicht alle die Fusztritte oder Tischmanieren der anderen ertragen koennen. Manche Personnen sollte man einfach nicht zusammensetzen.

So bin ich nun also vollwertiger Assistent, mit allen seinen Rechten und Pflichten, einschlieszlich der ehrenvollen Obligation der référence de sécurité, die mir heute Abend die Moeglichkeit eroeffnet hat, diese Zeilen zu verfassen...

Dienstag, 10. Oktober 2006

Ein Stueck Franzose

Mein Portemonnaie fuellt sich so langsam mit Karten, die mich – symbolisch gesprochen – immer mehr ein Stueck Franzose werden lassen.

Doch die Buerokratie in Frankreich nimmt sich nichts im Vergleich zur deutschen. Bis zum von Plastik eingerahmten Chip war es ein langer Weg.

Bankgeschaefte
Man sollte meinen, jede Bank freut sich ueber neue Kunden mit geregeltem Einkommen.

Das dachte ich mir zumindest, als ich bei der ortsansaessigen "Crédit Agricole" – kurz CA – ein Konto eroeffnen wollte. Mit einer Bescheinigung meines Arbeitgebers ueber einen festen Wohnsitz, eine Sozial- und Krankenversicherung, sowie einer Gehaltsbescheinigung ging ich frohen Mutes zum Kundenberater meines Vertrauens. Selbst Personalausweis und genuegend Zeit hatte ich mitgebracht. Ersteres wurde sofort kopiert, letzteres stellte sich als unnuetz heraus:

Um ein Konto zu eroeffnen, durfte ich ersteinmal einen Termin vereinbaren. Wie beim Friseur – und ich spreche von der Wartezeit. Fast eine Woche spaeter, an einem Samstagmorgen um neun Uhr, ging ich also erneut zur Bank. Relativ zuegig und mit einem freundlichen Laecheln wurde mir klar gemacht, dass ich und mein Geld nicht erwuenscht sind. "Sie koennen ein Konto eroeffnen. Aber Sie werden weder Bankkarte noch Cheques erhalten. Vielleicht ist es Ihnen auch lieber, bei einem anderen Institut ein Konto einzurichten."

Man muss dem Filialleiter jedoch zu Gute halten, dass er sich nach dieser subtilen Ablehnung doch noch erklaerte. In der vergangen Zeit habe er zunehmend Probleme mit der Arche gehabt. Welche Probleme das waren, war nicht zu erfahren. Doch muessen es gewaltig viele sein, denn die Arche regelt ihre gesamten Finanzen ueber diese Filiale...

Nach diesem ernuechternden Ereigniss und einem gewissen Unmut darueber, dass sich das fruehe Aufstehen nicht gelohnt hatte, informierte ich mich dann bei den anderen Assistenten. Wie sich herausstellte, war ich zwar der Erste, der auf diese Art und Weise herauskomplimentiert wurde, aber schlechte Erfahrungen mit den Kundenberatern hatten schon einige vor mir gemacht.

Die Woche darauf fuhr ich mit all meinen Bescheinigungen in den naechsten Ort. Zum selben Kreditinstitut. Zwar musste ich auch dort erst wieder auf einen freien Termin – fuenf Tage spaeter – warten, aber war ich am Ende doch erfolgreich. Ueber eine Stunde sasz ich in der Bank und unterschrieb gefuehlte hundert Formulare. Unten links die Initialen setzen, in drei Sekunden das Kleingedruckte ueberfliegen, das Misstrauen runterschlucken, und wieder unterschreiben.

Jetzt bin ich stolzer Besitzer einer carte bancaire, mit der ich bis auf Maut und Tankautomaten alles bezahlen kann. Selbstverstaendlich kann ich auch Geld abheben. Deswegen zog es mich nach Erhalt meiner Karte aus irgendeinem (Rache-)Gefuehl zu unserer CA-Filiale, wo ich langsamen Schrittes am Schalter vorbei zum Geldautomaten ging und froehlich in mich hinein grinste.

Krankenversichert
... bin ich nun auch. Und zwar gleich doppelt.
Noch in Deutschland habe ich meine Krankenversicherung fuer ein Jahr ausgesetzt. Denn ueber meine Entsendeorganisation VIA e.V. bin ich durch einen Gruppenvertrag bei der VICTORIA versichert und kann mich deshalb im Krankheitsfall bei der "fid" melden, wenn ich mein Geld zurueck moechte. Alles klar?

Fuer die Arche ist es aber Pflicht, dass ich im franzoesischen System versichert bin. Die Kosten uebernimmt mein Arbeitgeber und der Staat. Ich besitze nun wie so ziemlich jeder Franzose die sogenannte carte vitale. Ich habe keine Ahnung, wer im Krankheitsfall eigentlich wo was zahlt. Die Karte macht sich aber ganz nett in meinem Portemonnaie.

Ich hoffe, wenn ich krank werde, gleich ins Koma zu fallen. Dann koennen die anderen sich den Kopf zerbrechen, welche Karten sie zuecken muessen.

Montag, 25. September 2006

Schizophrenie eines Praktikums

Es ist noch nicht sicher, dass ich hier in Hauterives ein ganzes Jahr verbringen werde. Oder vielmehr: Verbringen darf.

Momentan bin ich nichts als ein Praktikant. Die Politik der Arche besagt, dass bevor ein Freiwilliger als Assistent angestellt wird, er eine Praktikumszeit von fuenf Wochen zu absolvieren hat. In dieser Zeit verrichte ich zwar die gleiche Arbeit wie alle anderen Assistenten auch. Die selben Rechte und Pflichten habe ich jedoch nicht.
Genau dort setzt die Schizophrenie meines Praktikums an. Wir haben hier einen riesigen Fuhrpark, aber grundsaetzlich zu wenige Fahrer. Als Praktikant darf ich keines der Autos bewegen. Ich laechel dann immer unschuldig-wissend, wenn wieder mal morgens das Telefon klingelt, weil irgendwo ein Transport nicht stattgefunden hat. Wenn abends fuer die Personen Zapfenstreich ist, muss immer ein Assistent – besser: zwei – die Sicherheit im Haus gewaehrleisten, die sogenannte réference de sécurité. Wie der geneigte Leser zu schlussfolgern mag, darf ich als Praktikant auch dies nicht. Das hat zur Folge, dass ein und derselbe Assistent die ganze Woche abends im Haus die Zeit absitzt. Ich wuerde ja gerne aushelfen, aber ich bin untroestlich:: Ich darf nicht.

Diese Vorgehensweise wird verstaendlich, wenn man den Hintergrund eines Sozialen Dienstes in Frankreich kennt. In Frankreich wurde vor ein paar Jahren der Wehrdienst abgeschafft. Der Dienst an der Waffe oder eben der Zivildienst ist nicht mehr verpflichtend. So kommt es, dass viele Freiwillige in sozialen Einrichtungen landen, weil sie keine ausreichende Ausbildung mit Berufschance haben. Auch jene, die nicht so recht wissen, was sie werden wollen, suchen oft Beschaeftigung in sozialen Einrichtungen. Fuer Institutionen wie die Arche sind Sozialdienstleistende attraktiv im Unterhalt: Sie stellen Kost und Logie, das Gehalt zahlt der Staat. In meinem Fall ist das die préfecture de la Drôme. Dennoch gilt es unter den Freiwilligen zu filtern, da eben einigen aus besagten Gruenden die Motivation zur Arbeit fehlt.

Das ist schade, denn nicht nur in meiner Arche mangelt es an Personal. So wird die Schizophrenie zum Pragmatismus: Offiziell bin ich zwar immer noch Praktikant, aber der Arbeitsvertrag liegt bereits von allen Parteien unterschrieben auf meinem Schreibtisch.

Mittwoch, 6. September 2006

Wie geht es Dir? Mir geht es gut!

Nach zweitaegiger Reise und ca 1200 km bin ich am Samstag tatsaechlich angekommen. Hauterives ist ein kleines vertrauemtes Oertchen. Meine Arche - l'Arche de la Vallée - besteht aus insgesamt fuenf Wohngemeinschaften, sogenannten foyers. Mein foyer nennt sich La Chaumière, was soviel wie strohgedeckte Huette bedeutet, es aber zum Glueck nicht ist :)
Im Gegensatz zu den anderen vier, wohne ich naemlich centre-ville, am Place de la Mairie.

Dennoch: Diese Zeilen hier schreibe ich gerade in einem Internetcafé in Romans und sie kosten mich drei Euro fuer eine halbe Stunde. Bei mir auf dem Zimmer habe ich leider kein Internet, aber ich will mal sehen, was sich machen laesst... Dann werde ich auch wieder mehr Zeit haben und alles etwas mit Bildern verzieren :)

Bis bald

Kersten